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                     Paroxysmale Tachycardien bei Nacht sowie
                     beim Bücken, morgendliche Müdigkeit,
                     Zwangsgähnen, Appetitlosigkeit,
                     SchweiBausbrüche, Akroparästhesien
                     sind ein Komplex von Krankheitszeichen, der
                     meist heute unter der Diagnose
                     "Neurozirkulatorischs vegetative Dystonie" mit
                     wechselvollem Erfolg behandelt wird. Das Gähnen wird von den Kranken
                     meist erst auf vorsichtiges (nicht suggestives!)
                     Befragen erwähnt, ist jedoch regelmaBig
                     stark ausgeprägt, so daB es der Umgebung
                     oft auffällt. Gähnen ist m. E.
                     als Primitivatmung aus phylogenetisch
                     ältester Zeit aus dem
                     Wasser-Kiemendurchtritt hervorgegangen und als
                     Ausdruck einer hochgradigen (Mineral-?)
                     Stoffswechselerschöpfung zu verstehen. Es
                     kommt dabei unter Ansaugen von Luft, also
                     mäBiger Inspiration, unter Hebung und
                     Spannung des Gaumensegels (Levator und Tensor
                     veli palatini) zu einer Oeffnung der
                     Eustachischen Röhre und typischen
                     Ohrgeräuschen (2. Kiemengang!). Pupillenveränderungen beim
                     Gähnen, gleichzeitiger
                     TränenfluB, der durch häufigen
                     Lidschlag dann wegbefördert wird, sowie
                     nervöse Versorgung des Levator veli
                     palatini (N. petros superficialis major) deuten
                     auf einen unmittelbaren Zusammenhang des
                     Gähnaktes mit dem vegetativen System hin.
                     Im Mittelpunkt des Geschehens steht wohl das
                     Ganglion sphenopalatinum. Bei dem eingangs
                     gestchilderten Krankheitsbild, das J. Winkler,
                     Krumbach, treffend als Irritations-dystonie
                     bezeichnet, besteht ein ausgeprägter
                     Reizzustand im vegetativen System. Dieser Reizaustand, der sich u. a. durch
                     dieses Zwangsgähnen,
                     gefäBspastische Kopfschmerzen äuBert,
                     führt im Halsteil zu den bekannten
                     besonders beim Bücken und Lagewechsel
                     auftretenden Tachycardien und stenocardischen
                     Beschwerden, auffälligerweise ohne
                     Blurdruckerniedrigung sondern meist verbunden
                     mit gespanntem Puls. Aus diesem Reizzustand
                     erklären sich auch die absterbenden Finger,
                     die "rheumatischen" Schmerzen als Ausdruck der
                     GefäBpasmen und die wechselnden
                     Darmbeschwerden durch den Reizzustand im
                     Bauchteil des vegetativen Systems. Psychisch
                     findet man bei all diesen Kranken neben der
                     Ermüdbarkeit, Interesselosigkeit, Adynamie,
                     andererseits eine ganz auffällige
                     Reizbarkeit, Aengstlichkeit, MiBmutigkeit. Diese psychischen Veränderungen, die
                     Apathie einerseits und die Reizbarkeit und
                     Aengstlichkeit andererseits (y. Pfaundler) sowie
                     auch das häufige Gähnen sind
                     als pathognomonisch beim rachitischen
                     Säugling und Kleinkind bekannt. Sie
                     brachten mich mit der Beobachtung der
                     NachtsthweiBe sowie der Feststellung der
                     Tatsache, daB nur eigentich "Stubenhocker" von
                     der Erkrankung betroffen werden, auf den
                     Gedanken, eine Spätrachitis beim
                     Erwachsenen anzunehmen. Auffällig erschien
                     mir auch gleichzeitig das vermehrte Auftreten
                     der Erscheinungen in sonnenarmen
                     Jahreszeiten. Eine auf Grund dieser Ueberlegungen
                     eingeleitete energische antirachitische
                     Behandlung mit sehr hohen Kalkdosen, ausgiebigen
                     Höhensonnenbestrahlungen, Lebertran,
                     Vigantol., A. T. 10 zeigte, daB die z. T. viele
                     Monate lang behandelten Kranken meist schon nach
                     wenigen Tagen eine weitgehende Bessrung ihrer
                     Beschwerden erfuhren und nath Ablauf einer ca.
                     14tägigen Behandiung Müdigkeit,
                     Gàhnen, Herzklopfen, NathtschweiBe,
                     einschlafende Hände, anginöse
                     Zustände etc. vollig verloren. Mit einer
                     geringen Erhaltungsdosis der Medikation sind
                     alle diese Kranken beschwerdefrei geblieben.
                     Wahrscheinlich erklären sich auch
                     Frühjahrsmüdigkeit sowie Wetter und
                     Föhnempfindlichkeit (zus geringe
                     elektrische Stabilität der Elektrolyte
                     gegenüber Umwelt?) aus dieser
                     domestikationsbedingten Stoffwechsellage. Zusammenfassend handelt es sith nach meiner
                     Auffassung bei dem mit Müdigkeit und
                     häufigem Zwangsgähnen,
                     Tachycardien, SchweiBausbrüchen und
                     Akroparästhe-sien einhergehenden
                     Krankheitsbild um eine der Rachitis und
                     Spasmophilie nahestehende
                     Stoffwechselstörung, die unter energischer
                     antirachitisther Behandlung schon in wenigen
                     Tagen zum Verschwinden kommt. Dr. med. Franz Kuhn, Ichenhausen/Schwaben,
                     Marktstr. 4. |