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mise à jour du
23 septembre 2001
Fortschr. Neurol. Psychiat
1977;45:652-655
cas cliniques
Yawning in a Case with Transsecting Glioma of the Pons
 Gähnen als einziges Verhaltensmuster der Gesichts und Kiefermuskulatur bei einem Patienten mit Ponsghom
J. Gschwend
St Gallen - Suisse

Chat-logomini

Yawning and stroke

Ein 30 jahriger Patient mit vorderern Ponsghorn wurde vollstandig tetraplegisch mit zusätzhch schlaffer Parese aller von den kaudalen Hirnnerven innervierten Muskeln, womit die Kriterien des locked-in Syndroms erfüllt waren. Der Patient konnte den Unterkiefer willkürhch weder äffnen noch schheissen, wurde aber mehrmals beim Gähnen beobachtet, was die Vermutung erhärtet, dass die Gähnmotivation aus der Medulla oblongata, am wahrscheinhchsten aus dern schlafinduzierenden System des Raphe-Kerngebietes stammt und sich direkt auf die kaudalen Hirnnervenkerne projiziert.

A patient with ponsghorna got completely tetraplegic and plegic in all muscles innervated by the caudal brainstem nerves (locked-in syndrome). He could not open or close the mouth, but he was able to yawn. It is concluded that the motivation of yawning stems from the sleep inducing system in the region of the raphe-nuclei and is projected directly to the nuclei of the caudal brainstem nerves.

Dass die Motivation für Gähnverhalten vom Stammhirn ausgehen muss, am ehesten von der Medulla oblongata, haben schon Gamper (1926), Catel (1930) und Heusner (1946) an Hand von Hirnmissbildungen postuhert. Andere Autoren (Mayer 1921, Sicard 1921, Barbizet 1958) beobachteten gehäuftes Gähnen bei Patienten mit Stainnihirlesionen, gesetzt durch die Encephahtis lethargica. Hess gelang es 1928, Gähnen und Einschlafen mittels elektrischer Reizung der interlaminären Substanz des Thalamus zu induzieren, während später Wilson (1940) Gähnen bei periventriculären und Penfield (1954) bei diencephalen epileptischen Anfällen beschrieben. Inzwischen sind bei der Erforschung von schlafinduzierenden neuralen Systemen zu den thalamischen (Hess 1944), supraoptischen (Nauta 1946) und pontinen (Jouvet 1965) auch bulbäre im Gebiet der Raphe-Kerne (Jouvet 1967) hinzugekommen, von denen aus über serotonerge Synapsen Gähn- und Schlafverhalten provoziert werden konnte.

lm vorhegenden Fall durchtrennte ein Ponsghom die motorischen Verbindungen zwischen Grosshirn und Medulla oblongata vohständig, wodurch die Gesichts-, Kiefer-, Rumpf- und Extremitätenmuskulatur plegisch wurde. Es entstand ein tumorbedingtes locked-in- Syndrom, wie dies von Cherington (1976) beschrieben wurde. Bei unserern Fall war Gähnen noch möghch. Es hegt daher die Annahme nahe, dass das Gähnen von der Medulla oblongata respektive dern Gebiet der Raphe-Kerne aus motiviert wurde.

Kasuistik : Bei einem 30 jährigen Portugiesen traten innert Tagen frontale und rechtsseitige Kopfschmerzen zusammen mit einer Abduzensparese rechts auf, eine Woche später gefolgt von einem spastischen Hemisyndrom hnks, eine weitere Woche später von Dysarthrie und Schluckstörungen. Deswegen Einweisung in die Neurologische Universitätskhnik Bern, wo sich innert Tagen eine Tetraplegie und ein Ausfall sämthcher motorischer Hirnnerven kaudal der Oculomotorius- und Trochlearisnerven einstellte. Der Patient wurde stuhl- und urininkontinent. Er bheb bei vollem Bewusstsein, beantwortete Fragen durch Augenrollen, atmete suffizient, musste aber durch eine Magensonde ernährt werden. Berührungsreize wurden nur auf der hnken Körperseite leicht vermindert, jedoch von überall her als unangenehm empfunden. Obwohl der Patient nicht in der Lage war, die Unterkiefer und Gesichtsmuskulatur wrillküdich zu betätigen, fiel auf, dass er nach dem Erwachen ausgiebig gähnte. Der Zahnreihenabstand erreichte dabei mindestens 2cm. Die Lidspalten verengten sich, die Zunge Fiel nicht in den Rachen zurück, Lautäusserungen wurden aber nie gehört. Der Patient verstand die Aufforderung, Gähnen willkürhch auszuführen, konnte ihr aber keine Folge leisten.

Das schon zu Beginn der Hospitahsation durchgeFührte Pneumoencephalogramm zeigte eine Auftreibung der Pons, die jedoch erst post mortem als solche allgemein anerkannt wurde. 2 Monate nach Krankheitsbezinn starb der Patient an Atem- und KreislaufVersagen. Die Hirnsektion legte ein Ponsghom frei, das den vorderen Abschnitt der Pons und damit die Pyramidenbahnfasern voflständig zerstört hatte. Nach kaudal stiess er bis auf Höhe des Kleinhirn-Brückenwinkels vor.

Diskussion : Am Gahnen beteihgen sich initial die Inspirationsmuskeln, die Mundöffner, die Gesichtsund die Zungenmuskulatur, terminal die Mundschliesser. Die Innervation dazu stammt aus dem 5., 7. und 11. Hirnnerven sowie dem N. phrenicus und den Interkostalnerven. Da beim Patienten jedoch s~mthche motorischen Verbindungen zwischen den peripheren Motoneuronen und dem Grossirn auf Höhe des vorderen Ponsabschnittes durch das Ghom unterbrochen waren, liegt die Vermutung nahe, dass das noch als einziges Verhaltenselement auftretende Gähnen von einem neuralen System unterhalb des vorderen Ponsabschnittes induziert werden musste. Andernfalls müssten Efferenzen über den Haubenbereich verlaufen sein, was insofern erstaunhch wäre, als in diesem Bereich die Afferenzen aus der Peripherie, die Formatio reticularis und der Tractus spino-cerebellaris ventralis durchziehen, aber keine efferenten Bahnen. Zudem musste es sich um Bahnen handeln, die eine einzige Verhaltensmöghchkeit auf die letztinstanzhchen Motoneurone projizieren würden, was für die Effektorsysteme emmahg wäre. Die efferenten Systeme verlaufen ni der Pons, die vollständig vom Tumor zerstört worden ist. Entsprechend konnte der Patient keinerlei Bewegungen mehr in Muskeln ausführen, deren Motoneurone kaudalwärts der Pons lagen. Proximal davon befanden sich die Oculornotorius- und Trochleariskerne, über die der Patient noch seine Augen bewegen korinte.

Schon aus dieser anatomischen Sicht erscheint es am wahrscheinhchsten, de die Gihnmotivation im kaudal der Läsion gelegenen Stammhirnabschnitt entstanden sein rnuiSte, wo durch elektrische Reizversuche im Gebiete der RapheKerne ein schlafinduzierendes System gefunden wurde (Jouvet 1967). Es gibt auch ein pontines Schlafsystern, dessen Reizung aber zu den Traumschlafcharakteristiken führt und nicht über das Dösen zum Ruheschlaf, wie das beim normalen Einschlafen der Fall ist (Jouvet 1960).

Wefl es dem Patienten nicht möghch war, wfllenthch oder mittels der Imitierbarkeit (Moore 1942, Eibl-Eibesfeldt 1967) Gähnen zu reproduzieren, gewinnt die Vermutung zusätzhch an Wahrscheinhchkeit, de die Gä-hnmotivation in dem ruheschlafinduzierenden Raphe-KernsysLein entsLanden ilst und sich direkt auf die entsprechenden noch intakten Kerne der kaudalen Hirnner-ven projiziert hat. Diese Beobachtung stù=t mit dem Gähnvermögen von menschhchen Mittelhirnwesen überein, wie es Gamper (1926) und Catel (1930) beschrieben haben. Demnach viürden die diencephalen Reizversuche von Hess (1944), respektive die periventriculären und diencephalen epfleptischen Entladungen über die pyramidalen und extrapyramidalen Bahnen das Raphe-Kernsystem aktiviert und nicht direkt die Motivation erzeugt haben.

Aspektrneig verhef das Gähnen wie bei Normalpersonen innerhalb von 5-7 Sekunden. Ein begleitendes Sichrecken, wie es bei Hemiplegikern in den gelähmten Extremitäten schon beobachtet wurde (Dumpert 1921, Lewy 1921, Heusner 1946) oder eine Phonation traten nie auf. Phonation und Sichrecken sind demnach Verhaltenselemente, die auf rostralwärts der Medulla oblongata hegende Strukturen, jedoch ebenfalls nicht auf die Pyramidenbahn angewiesen sind.

Weinen, das ebenso in der Medulla oblongata inotiviert wird, wurde hier nie bcobachtet. Das Gähnen bheb das einzige Verhaltenselornent, dessen Motivation über die k-audalen Hirniierveii und die zervikalen und thorakilen Vorderhommotoneurone in die entsprcchenden l'Auskeln hinaus projiziert wurde. Es dürfte sich demnach um eine der à1testen, nicht auf den Kortex angewiesenen, spontan auftretenden Verhaltensweisen handeln, die mo-hcherweise aus dem Kieinenstadium starnint (Kuhn 1952). Sie korinte darnals die Aufgabe besessen haben, den zweiten Kiemenbogen, der jetzt der Eustachschen Rähre entspricht, zu spreizen. Für diese Interpretation spricht die Tatsache, daf~ bei cerebraler Hypoxie die Gähamotivation aktiviert wird (Nash 1942). die früher zu vermehrter Kiemendurchströmung gefùhrt haben dürfte. Inzwischen würde sie, wie viele alte Verhaltensweisen einen Bedeutungswandel durchgemacht haben in dem Sinne, daf~ sie jetzt als Auchauslöser die Schläfrigkeit innerhalb einer Gruppe koordiniert. Sie wäre deninach zu einem physiologischen ScWafmittel (Waldvogel 1945) geworden. das bei Langeweile nicht immer ewünscht ist und wegen der aggressionsauslösenden Bedeutung des Mundaufsperrens erst noch Kumpanaggression provoziert. Wohl dar-um hält sich die uralte Sitte, das Gähnen hinter der vor den Mund gehaltenen Hand zu verstecken.

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